Unser bisheriges Verständnis vom Menschen steht zur Disposition.
In einer Zeit weltumspannender Krisen und chaotischer Umbrüche sind die Grundfesten unserer Zivilisation brüchig geworden. Wir leben in einer von K. Jaspers als Achsenzeit bezeichneten Epoche mit ungewisser Zukunftsprognose: Den Menschen in unseren westlichen Zivilisationen sind grundlegende Gewissheiten verloren gegangen und viele unserer Zeitgenossen nomadisieren durch Wüsten von Unverbindlichkeiten. So kann es nicht verwundern, dass Angst ein kennzeichnendes Symptom unserer übersättigten Gesellschaften geworden ist. Im Gefolge von biotechnologischem Fortschritt und der rasanten Entwicklung der künstlichen Intelligenz ist die Frage nach dem Menschen selbst aufgeworfen. Der moderne Mensch des 21. Jahrhunderts steht in Gefahr, zum Avatar seiner selbst zu mutieren. Längst haben sich die globalen Finanzströme aus der Kontrolle des Menschen befreit und die Macht über das Leben des Menschen an sich gerissen: Der Mensch, seine Gene, seine Gesundheit, seine Lebensvollzüge werden mit blankem Zynismus zur Ware degradiert. In den Allmachtsphantasien von Menschenoptimierungen wird der Mensch als ein defizitäres Wesen proklamiert, das optimiert werden müsse. Immer fordernder wird unser überkommenes humanistisches Menschenbild von Freiheit, Verantwortung vor der Schöpfung und Menschenwürde hinterfragt, wobei sich hinter diesen Fragen vorwiegend kommerzielle Beweggründe verbergen. Vor allem die moderne Medizin ist mit ihren vielfältigen technischen bzw. biotechnologischen Möglichkeiten im Zentrum dieser epochalen Umbruchsituation angesiedelt. Lebens-nötig ist heute eine Rückbesinnung auf uns selbst und es geht vor allem um die Frage, wie wir als Menschen in Zukunft leben und in einer emotional erkalteten Welt überleben können. An diesem Punkt ist vor allem auch die Kunst gefordert.
Der Künstler Dr. med. habil. Michael Imhof