Transhuman Art und
    Imaginärer Realismus

    Medical- Art-Gallery

    In meiner Kunst geht es darum, diese Sprache des Lebens sichtbar werden zu lassen und so einen Blick auf das Unsichtbare zu eröffnen, das hinter den äußeren Formen verborgen ist.

    Dr. med. habil. Michael Imhof


    Medizin und Spiritualität: Oder Tröstungen der Philosophie in ungewisser Corona-Zeit

    In den modernen naturwissenschaftlichen Weltbildern ist der alte cartesianische Gegensatz von Geist und Materie entschärft, wenn nicht gar überwunden.

    In diesen modernen Weltbildern herrschen Narrative von einer Wirklichkeit vor, die sich aus einer ursprünglichen Geschlossenheit von höchster Symmetrie heraus entfaltet. Allem Anfang ist etwas Ideelles implizit, das sich in den raumzeitlichen Manifestationen der Phänomenologie dieser Wirklichkeit spiegelt. Die Totalität dieser Welt und deren inneres, von allem Materiellen entkleidetes Sein entzieht sich im Letzten dem naturwissenschaftlichen rationalen Zugang und das aus prinzipiellen Gründen: So existieren mit der Planck-Länge und der Planck-Zeit prinzipielle meßtechnische Grenzen, unterhalb derer nicht mehr in sinnvoller Weise von Längen, Ausdehnung, von Größe oder Zeit gesprochen werden kann.

    In analoger Weise sind in der Heisenberg`schen Unschärferelation prinzipielle meßtechnische Einschränkungen in Form eines Naturgesetzes kanonisiert. Die Totalität des Seins entzieht sich somit Versuchen der Näherung auf ausschließlich rationalem Zugangsweg. Der Urgrund und das dynamische Gefüge dessen, das wir mit dem Begriff von Wirklichkeit bezeichnen, sind mit den auf materieller Ebene gültigen begrifflichen Kategorien somit nicht fassbar, sie sind vielmehr Verweis auf eine transzendentale, unteilbare Wirklichkeit. Diese transzendentale Totalität der Welt ist das Umgreifende nach Jaspers, sie ist das, was in den Traditionen der Religionen von alters her als „heilig“ im Sinne von „ungeteilt - ganz“ verstanden wurde. Eine unaussprechliche Gewissheit der Einheit eines Jeden mit diesem umgreifenden Einen begründet letztendlich unsere Identität. Jeder Mensch kann sich als Inkarnation dieses Einen begreifen, das sich in jedem spiegelt, in jedem Atom und gleichermaßen in jedem Menschen und das auf eine Weise, wie es Werner Heisenberg einmal so in einem Koan zum Ausdruck brachte: Warum spiegelt sich das Eine im Vielen, was ist das Spiegelnde und das Gespiegelte, warum ist das Eine nicht allein geblieben?

    Damit ist jedes Leben Teil dieses unteilbaren Ganzen, indem es daran Teil hat und dieses wiederum spiegelt. Es kann deshalb kein unwertes Leben geben. Sehr wohl existiert aber dasjenige Leben, das im Getriebe der Zeit versehrt wurde. Dieses Leben bedarf der Sorge. Denn die Sorge spiegelt das Eine. Der Mensch ist damit vor allem auch ein Versehrter, er ist ein Leidender und die Krankheit prägt das Antlitz des Menschen. Der Mensch ist ein Leidender, weil er aus dem Ganzen in die Zeitlichkeit hinabgebrochen ist und weil er sich dieses Bruches schmerzhaft bewusst wird. Die Wunde des Menschen ist die Erkenntnis der in ihm fortschreitenden Zeit, welche in ihm ihre Geschichten schreibt. Die in uns hinabgebrochene Zeit ist unsere Versehrtheit und damit auch unsere besondere Würde. Denn in diesem Hinunterbrechen verwirklichen sich alle möglichen Geschichten, die bis zum Ende des Universums erzählt werden müssen. Nur erzählte und erlebte Geschichten sind aber wahre Geschichten. Jeder Mensch erlebt seine je eigenen Geschichten und jeder Mensch trägt diese Geschichten in seinem Antlitz. Und wir erkennen im Antlitz des Anderen seine Geschichten und wir wissen, dass es auch die unseren sind.

    Das ist das Band unserer Bruderschaft.

    Es ist das Sehen dieser Versehrtheit im Antlitz des Anderen, das die Medizin ausmacht. Medizin ist Sehen und Verstehen über die Außenwelt der morphologisch und mathematisch formalisierbaren Phänomene der Krankheiten hinaus. Die Sinnfrage ist dem Menschen von Anfang an implizit und angesichts einer bedrohlichen Erkrankung wird diese Frage schließlich auf existentielle Weise virulent. Ein Mensch, der niemals fragt, ist nur schwerlich vorstellbar. Oft tief im Unterbewusstsein verborgen, verboten anzusprechen oder gar anzudenken, so ist in der Tiefe der menschlichen Existenz der Hunger verborgen, ein Hunger, der nicht durch Brot oder eine andere Speise gestillt werden kann, er ist wie eine flüchtige Essenz, welche die ganze Existenz durchdringt, ein Hunger nach einem Wort, das die Flüchtigkeit der menschlichen Existenz über die Bedrohungen durch ein dumpfes Schicksal hinaus deuten könnte. Diesen Hunger vermögen Rationalität, Materialismus, oder Reduktionismus nicht zu stillen.

    Jede Frage nach dem Sinn fördert indes mehr als eine Antwort zutage, denn immer hängt es davon ab, von welcher Ebene aus die Frage gestellt wurde. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Stern eines blanken Materialismus ganz offensichtlich im Sinken. Das zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Entstehen begriffene neue naturwissenschaftliche Paradigma kann als ein Narrativ über eine in ihren Tiefenschichtungen nicht-materiell sondern immateriell geformte und gegliederte Wirklichkeit verstanden werden. Es scheint so zu sein, als würde sich gerade vor der Bühne dieser Naturwissenschaft eine Spur weit der Vorhang vor dem großen Geheimnis heben, dass sich diese immateriellen Schichten des Universums und des menschlichen Bewusstseins auf begrifflich nicht differenzierbare Weise gleichen und sich aufeinander beziehen.

    Bewusstsein bestimmt das Sein.
    Wo begegnen sich heute Medizin und Spiritualität?

    In der Erkenntnis, dass aus dem Arzt-Patientenverhältnis eine Einheit entsteht, die mehr ist als die Summe der Teile, aus welcher etwas Größeres entsteht als beide Partner vormals gewesen sind. Dieser Satz, oftmals gehört und ausgesprochen, beinhaltet in der Tat eine tiefe Erkenntnis: Denn die moderne Grundlagenforschung besagt hierzu folgendes: Trennen sich nämlich beide Partner wieder, so sind beide nicht mehr die gleichen wie vorher, vielmehr sind sie etwas anderes geworden, sie sind in der Tat Andere geworden. Jeder Mensch ändert sich in der Begegnung mit den anderen und dies umso mehr in den oft schicksalhaften Begegnungen zwischen Arzt und Patient. Aus diesen Begegnungen heraus organisiert sich schließlich das Gesamtgefüge der menschlichen Gemeinschaft sowie die Komplexität seiner soziokulturellen Gefüge.

    Wir müssen gerade in den aktuellen Corona-Zeiten die ungemein schmerzhafte Erfahrung machen, wie uns die Distanzierung zu Anderen, wie uns der mangelnde nähere Kontakt zu den Anderen mehr und mehr zusetzt. Das Smartphone kann diese sich in den direkten menschlichen Kontakten verwirklichende Nähe definitiv nicht ersetzen. Es verhält sich vielmehr so, dass in den zwischenmenschlichen Bezügen sich etwas organisiert, das den Einzelnen übersteigt.

    In der Sichtweise der spirituellen Traditionen rund um den Erdball ist die Erfahrung dieses Mangels nichts Ungewöhnliches. Denn diese Traditionen erzählen immer schon davon, dass der Mensch innig eingebunden ist in ein vielschichtiges Gefüge von Bezügen- angefangen bei seinem unmittelbaren Nächsten, über die Familie, über soziale Gruppen, sogar länderübergreifend und last but not least über sein Bewusstsein und seinen erkennenden Geist in das Gesamtgefüge des Universums. Echte und ursprüngliche Spiritualität gründet in diesem ursprünglichen Vermögen des menschlichen Geistes und trägt deshalb Sinn und Wert in sich selbst. Der Geist baut, wie es der Quantenphysiker E. Schrödinger einmal festgestellt hatte, die Außenwelt der Naturphilosophie aus seinem eigenen Stoff auf und in diesem Aufbau nimmt er sich in der wissenschaftlichen Erfahrung gleichzeitig wieder zurück. Es ist wie die Hand eines Künstlers, der ein Bild malt und gleichzeitig im Erschaffen seine Hand zurücknimmt. So schafft der Geist im Sinne Schrödingers Platz und Leere für die von ihm geschaffenen materiellen und geistigen Objekte.

    In allen religiösen Traditionen steht ganz zentral der Begriff der Leere. Im Buch Genesis heißt es hierzu: „ Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und leer und Finsternis lag über der Urflut und der Geist Gottes schwebte über den Wassern..“ In den östlichen Traditionen nimmt der Begriff der Leerheit eine exzeptionell zentrale Rolle ein. So heißt es in den Upanischaden: „ …Brahman ist Leben…Brahman ist Leere….die Leere ist das gleiche wie die Freude…“ ( Chandrogya-Upanischade, 4.10.4)
    Alle Entwicklung und Evolution ist damit ein Prozess, in welchem sich das ursprünglich Zeitlose, die alles Potential enthaltende Leere sich in die Formen von Gestalt, Mannigfaltigkeit, Raum und Zeit hinein entfaltet.

    Diese Mannigfaltigkeit der evolutiven Ausfaltungen findet in den unbegrenzten Mustern der Lebensprozesse und damit auch und vor allem in den Krankheiten und zumal in den globalen Epidemien statt. Prozesse des Lebens oder auch evolutive Prozesse sind nichtlinear, chaotisch, unstetig und fraktal. Nur so und auf diese Weise kann Neues entstehen. Krankheiten sind, wie an anderer Stelle gezeigt wurde, als Randbedingungen dieser nichtlinearen Prozesse zu verstehen, aus denen Tod und Untergang, aber auch neue Muster des Erkenntnisgewinns hervorgehen.

    Krankheiten sind also Repräsentanten des Lebens. Sie sind aus diesen Gründen schon per se nicht sinnlos, weil auch sie Schattenwürfe eines großen grandiosen schöpferischen Geschehens in unsere je eigene Daseinsverfassung sind. Auch in die Muster von Krankheiten und das damit oft verbundene Leiden wirft sich somit die Evolution als Ganzes hinein.

    Krankheiten haben für den unmittelbar Betroffenen vor allem in der Teilnahme der Anderen und damit der Sorge der Anderen einen Sinn. Diese Teilnahme einer ganzen Gesellschaft, die Aufbringung aller Ressourcen, die Aufbietung von Kräften des ärztlichen und pflegerischen Personals in den Kliniken und in den vielfältigen Hilfsangeboten im zwischenmenschlichen Bereich ist derzeit allerorten und in großartiger Weise zu sehen. Das ist der Trost, den zu spenden nur Menschen in der Lage sind!
Es gibt eine Religion, in deren Zentrum die Hilflosigkeit und Demut ihres Gottes verortet ist, der unendlich schöpferisch ist und deshalb unendlich arm. Diese Armut machte ihn zum Teilhaber des versehrten, des verletzten, Menschen.

    Medizin ist also Teilhabe: „Die Krankheit liegt jetzt zwischen den Menschen, ist eines ihrer Verhältnisse und ihrer Begegnungsarte. Hier beginnt die anthropologische Medizin“ ( Weizäcker v. C.F.: Gesammelte Schriften. Suhrkamp Verlag Frankfurt a.M. (1986) Bd. 7. S. 315).

    Jedes Ich ist auf den Anderen angewiesen.

    Die Not der Krankheit trennt nach von Weizäcker den Menschen vom eigenen Ich. Die „Notphänomene“ sind „Beziehungstatsachen“ von Mensch zu Mensch (Weizäcker v. C.F.: Gesammelte Schriften. Suhrkamp Verlag Frankfurt a.M. (1987) Bd. 5. S. 241).

    Was wir derzeit als Tröstung erleben und erfahren dürfen:
    Aus dieser großen Teilhabe von Menschen kann sich Schicksal verwandeln und in neue Formen eintreten, die vom Leben des individuellen Menschen bis in die großen umgebenden Räume hineinreichen. Es ist nicht die künstliche Intelligenz, die Robotik und der Shareholder Value, der das Leben der Menschen bestimmt – das erleben wir ja gerade heutzutage- nein, es ist die Teilnahme des Einen am Anderen.

    Transhuman Art and Imaginary Realism

    Ausstellungen:
    • Sommerhausen, 2001
    • Deutsche Botschaft in Wien, 2002
    • Ringstraßengalerien Wien, 2003
    • Deutscher Chirurgenkongress, 2009
    • Kulturstationen Kitzinger Land, 2010
    • Vivantes Konzern Berlin, 2011
    • Franziskanerkirche Würzburg 2014
    • MOCA Museum of Modern Contemporary Art Peking, China, Juli 2015
    • Pashmin Art Galerie Hamburg, Dezember 2015
    • Miami Art SCOPE, USA, Dezember 2015
    • Technische Hochschule Hamburg, Januar 2016
    • Rothko Museum Baltikum, Dezember 2016

    In meiner Kunst versuche ich, das Leben in seiner unergründlichen Tiefe und den Menschen im Zentrum des Lebens als ein von Geist durchdrungenes Wesen darzustellen

    Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.